" Harzzeit vom 01.Dezember 2013 "         

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Neue

 

" Neue  Wernigeröder Zeitung vom 30.Oktober 2013 "

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   Kontaktfreudigkeit  (Kurzgeschichte)

 

Das Treiben und Tun der Menschen lebt von der Geschwätzigkeit derselben. So ist es auch mir nicht entgangen, was man so alles über diese oder jene Billigfluglinien kundtut. Dennoch stürzte ich mich in solches Abendteuer und flog nach Rom.

Ich folgte in der Abflughalle also den dicht drängelnden Menschen, die alle mit easyjet reisen wollten. Denn hier heißt es, wer zuerst kommt sitzt zuerst, so in etwa jedenfalls. So ließ ich mich in dem Strom der nach Rom Reisenden treiben und verspürte noch ein wenig Hoffnung einen Fensterplatz zu ergattern, denn immerhin muss der Pilot, sofern er nicht einen Umweg macht, den Flieger über die Alpen bringen, wovon ich mir einen Sinnesgenuss erhoffte. Aber in dem Gewühl des Mittelganges wurde mir die Hoffnung genommen, und ich gab mich mit einem mittleren Platz in diesen 3er Sitzplatzreihen zufrieden. Immerhin, so dachte ich, kann ich neben einem großgebauten, gutaussehenden Mann platznehmen, was ich schon bald bereuen sollte. Mit meiner Handtasche auf den Knien schaute ich nun schelmisch dem hektischen Treiben meiner Mitreisenden zu, die versuchten, ihr sperriges Handgepäck zu verstauen. Denn 70 Prozent der Leute im Flieger nahmen ihren kleinen Koffer in den Passagierraum mit, was für die Stewardessen zum Problem wurde. Kurzum, die Ablagen waren voll, wer konnte nahm seine Jacke auf den Schoß, um Platz zu schaffen. Es wurde kuschlig und ich war nun gespannt, wie das Problem gelöst wurde. Augenblicke später staunte ich nicht schlecht, als das geräumige Handgepäck halb unter den Sitz des Passagiers geklemmt wurde und der Gast die Anweisung bekam, seine Füße darauf zu platzieren! War ich froh, mein Koffer lag auch unter mir, aber eine Etage tiefer, sodass mir einiges an Beinfreiheit blieb. Ha, zu früh gefreut.

Neben mir der Platz zum Gang hin wurde nun besetzt. Eine junge Frau erkannte die Schwierigkeiten um die Gepäckablagen und ein schulterzuckender Steward schob kurzerhand ihre Reisetasche unter ihren Sitz. Und wie Frau nun mal ist, setzte sie sich breitbeinig darüber, sodass sich rechtsseitig meine Beinfreiheit schon einschränkte. Ein kühner Blick nach links zeigte mir, dass ich auch dort an Boden schon verloren hatte, der Hüne saß nämlich breitbeinig da. Nach kurzer Analyse der Situation, litt ich nun mit ihm. Er konnte nicht anders. Waren nun seine Beine zu lang oder die Sitzreihen zu eng? Na wie schön, dass ich nur 1,64m groß bin und meine Knie beugen und strecken kann, wenn auch nur geschlossen, aneinander gepresst. 2 Stunden, das schaffe ich schon.

Nachdem wir endlich in der Luft waren, versuchte ich ein wenig zu ruhen. Mehr war nicht möglich, denn die Sitzlehnen konnten nicht zurück geklappt werden. Die Gefahr bestand, dass beim Einschlafen der Kopf auf die Schulter des Nachbarn glitt. Aber beim Ruhen grübelt man über so einiges nach, so auch über die Tatsache, ob es eine mathematische Formel gab, aus der man den Sitzreihenabstand erkannte, wenn man den Reisepreis wusste. Eines ist sicher, je niedriger der Preis, umso kontaktfreudiger musste man sein. Und, wie ergeht es wohl einer Basketballmannschaft, 15 Männer um die 2m groß? Nebeneinandersitzen ist also nicht möglich, die Stewardessen müssten sortieren, zwischen zwei Hünen eine zarte Dame, welch ein Spaß! Auf der Anzeigetafel im Flughafen müsste es heißen: Suchen sie Anschluss? Bei uns fliegen sie richtig! Besser gesagt sitzen sie richtig.

Im engen Schulterkontakt mit meinem Hünen, durchströmte nun zarter Kaffeeduft meine Nase. Ich öffnete meine Augen und eine Papptasse schwebte an mir vorbei. Hoffentlich hüpft der Flieger jetzt nicht über eine Luftwelle und versaut mein Outfit! Alles ging gut, ich lächelte ihn an. Aber was kommt danach, wenn der Kaffee nach einer Stunde wieder raus muss? Wir Frauen müssten uns samt Handtaschen und Jacken aus den Sitzen pellen. Die Erkenntnis nun: Wir kommen ins Gespräch, Kommunikation wird hergestellt.

Gelächter in der Nachbarsitzreihe ließ mich hinüberschauen, um mein Schmunzeln über die Enge des Fliegers fortzusetzen. Drei Freunde, drei Kaffee, zwei aufgeklappte Tische und irgendwie war es nicht möglich den 3.Tisch in die Endposition zu bringen. Wegen seiner enormen Leibesfülle musste der Herr dann doch sein Getränk auf dem Freundestisch abstellen.

Wenig später nahm ich mein Buch zur Hand, was meine Nachbarin inspirierte, eine „Frankfurter Rundschau“ aus ihrer Tasche  zu kramen und diese zu entfalten. Im Allgemeinen ist bekannt, wie viel Platz man für solches und ähnliches Lesewerk braucht, nur eben Platz war hier nicht. Zu viel Verkehr auf dem Mittelgang hinderte sie, nach rechts auszuweichen, also kam ich kostenlos zur Zeitungslektüre. Etwas verdattert sah sie mich an, als ich sie bat, noch nicht weiter zu blättern, da mich ein Artikel fesselte und ich diesen zu Ende lesen wollte. 

In Rom angekommen konnte ich mir ein Lächeln über die  Airline nicht verkneifen, da sie es versteht, Menschen näher zu bringen, eventuell zu nah.